Ein Leipziger Schriftsteller

Walter Mayrhofer (1936), Herausgeber der Edition Braatz & Mayrhofer

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Henry Rider Haggard "Der große Treck", 2015

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Robert Kraft "Die Tempel vom Ringe" 2002, Band 2 der Edition Braatz & Mayrhofer

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Das Buch für Alle – verschiedene Erzählungen, 1989, Privatreprint

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Novellen – verschiedene Erzählungen, 1992, Privatreprint

1) Wie sah Ihre Umgebung in Wien aus, als Sie geboren wurden? (Milieu, Krieg) Gibt es spezielle Kindheitserinnerungen?
Ich bin geborener Österreicher, wurde 1938 Deutscher und 1945 wieder Österreicher!
Die ersten beiden Ereignisse sind meinem Gedächtnis entschwunden, das dritte konnte ich nicht begreifen.
Meine ersten Erinnerungen setzen mit der Zeit knapp vor den Bombenangriffen ein.
Wir wohnten in einem herabgekommenen ehemaligen Bürohaus mit desolaten Fenstern, so dass der Wind hindurchpfiff.
Einmal an einem Wintermorgen lag sogar eine kleine Schneewechte unter den Fenstern.
In der Umgebung gab es noch Natur in Hülle und Fülle. Vor dem Haus gab es eine Wiese mit Eidechsen, das Fangen derselben war Abenteuer pur. Eine halbe Stunde Weges brachte mich ins Paradies, mehrere Ziegelteiche mit Molchen und Fröschen sowie einer Quelle, wo man mit dem grauen Lehm schön spielen und sich, nicht immer zur Freude meiner Mutter, noch schöner dreckig machen konnte. Später, nach mehreren Bombardements meines Paradieses, das leider in der Nähe eines Tanklagers lag, gab es in den mit Wasser vollgelaufenen Trichtern sogar Krebse zu fangen.
So wurde ich zum Naturfreund und Abenteurer.
Die Bombardements haben aber auch bleibende Eindrücke hinterlassen.
So ging ich wie üblich morgens zur Schule, da fehlte an einer Straßenecke ein Haus.
Auf der Wiese davor lagen die toten Bewohner, mit Packpapier bedeckt.
Auch in der Kirche, in beiden Seitenschiffen, lag ein Toter neben dem andern.

2) Mit welcher Lektüre sind Sie aufgewachsen? (Elternhaus, Schule, Freunde)
In der Schule wurde fleißig mit Rolf Torring und Jörn Farrow gehandelt.
Das war Lesestoff, wie man ihn sich abenteuerlicher nicht wünschen konnte.
Sozusagen ansteckende Abenteuerlust und Erweckung des Hamstertriebs.
Leider konnte der Trieb wegen Geldmangel nicht befriedigt werden.

3) Wie haben Sie eigene erste Käufe von Lektüre finanziert?
Erst während der Lehrzeit gelang es mir, etwa alle vier bis fünf Wochen ein abenteuerliches Buch, Tarzan, zu erwerben. Dafür ging das Geld für die Werksküche drauf. Die Abenteuerlust wurde so weiter geweckt. Jetzt mit einem leichten Hang zur heute Fantasy genannten Literatur.

4) Wann, wo, wie sind Sie auf Robert Kraft gestoßen?
Wann ich auf Robert Kraft stieß, kann ich nicht mehr genau sagen, ich war auf jeden Fall über 35 Jahre alt, also um 1971. Es war ein Zufallskauf in einem Antiquariat. Die Textbilder ließen auf spannende Lektüre schließen. Meine Erwartungen wurden weit übertroffen! So etwas Spannendes, Abenteuerliches und Fantastisches hatte ich noch nie gelesen.

5) Wie hat sich das Interesse entwickelt?
Seit diesem Zeitpunkt bin ich hinter RK her wie der Teufel hinter der armen Seele.
Die „rote Serie“ des KM Verlags entdeckt, sofort gekauft und verschlungen!
Es war endgültig um mich geschehen.

6) Was verdanken Sie dem Lesen von Büchern Robert Krafts im Unterschied zu anderen Autoren?
RK entführt mich in Gedanken an alle Schauplätze seiner Romane. Wie heißt es doch so schön, „Lesen ist Kino im Kopf.“ Ich lebe und leide mit den handelnden Helden, hoffend, dass alles ein gutes Ende nimmt. Aber es wäre nicht RK, wenn ALLES gut ausginge. Die „Nebendarsteller“, ja, die dürfen glücklich werden, aber der Held nur sehr selten. Bei einem unglücklichen Ausgang kann man eben so schön mitleiden.

7) Welche Bücher Krafts haben Sie besonders beeindruckt?
Mich beeindruckt eigentlich alles. RK ist so vielschichtig und jederzeit für Überraschungen gut. „Im Zeppelin um die Welt“ gefiel mir wegen der utopischen Elemente sehr. Leider stammen nur drei der fünf Hefte von RK. In einem der nicht von RK stammenden Hefte habe sogar ich mich „schriftstellerisch“ betätigt und als Abschluss eine Handlungslücke geschlossen.

8) Welche Titel von Kraft mögen Sie weniger?
Eigentlich „Detektiv Nobody“. Leider ist dieser ziemlich chaotisch. Mephistopheles erscheint in einem Kapitel/Heft/Buch, verübt Verbrechen, verschwindet und taucht irgendwann wieder auf, um dann endgültig und ohne Erklärung zu verschwinden. Schade, denn von diesem Bösewicht hätte ich gerne mehr gelesen.

9) Haben Sie alles von Robert Kraft gelesen?
Ich denke schon. Es sei denn, Thomas Braatz konnte wieder etwas auftreiben, von dem ich noch nichts weiß. Alles, was wir in der RK Edition veröffentlichten, habe ja ich abgeschrieben. Die mehrbändigen Romane besitze ich natürlich alle.

10) Welche anderen Autoren schätzen Sie besonders?
Da wäre noch mein englischsprachiger Lieblingsautor Henry Rider Haggard, von dem habe ich in einer eigenen Edition sechs Titel, davon vier deutsche Erstausgaben, herausgebracht.

11) Welche Schule(n) haben Sie durchlaufen?
Meine „Bildung“ verdanke ich der Volksschule, durch die Kriegsereignisse mit Umsiedlungen usw., etwas gestört, dann vier Klassen Hauptschule.
Drei Jahre Berufsschule mit Lehrabschluss als Maschinenschlosser.
In späteren Jahren der, aus innerbetrieblichen Gründen (netter Vorgesetzter) abgebrochene Versuch, die Meisterprüfung zu machen.
Nach Dienststellenwechsel machte ich trotzdem noch eine kleine „Karriere.“

12) Wie reagierte die Umgebung (Eltern, Lehrer, Berufskollegen) auf Ihr Lesen und Sammeln von Abenteuerliteratur?
Nun, mein Vater war bei der Reichsbahn, versetzt zuerst nach Russland, dann bis Kriegsende nach Italien. Auf der Flucht gelangte er bis Steyr zu seiner Familie. Meine Mutter blieb mit mir in Wien und ließ sich scheiden. So hatte ich nur manchmal in den Ferien Kontakt zu meinem Vater.
Er war Naturfreund, aber keine Leseratte.
Die Lehrer: Damals war es üblich, alle „Schundhefte“ zu kassieren und nicht mehr auszufolgen.
Im Betrieb hatte ich einen Freund und Sammlerkollegen, mit dem ich mich, weil wir nicht das gleiche Sammelgebiet beackerten, sehr gut vertrug.
Wir machten sogar des Öfteren gemeinsame „Schmökertouren.“

13) Welche besonderen Kauferlebnisse hatten Sie? (Anekdoten)
Nun, es gab eigentlich keine lustigen Anekdoten. Ein Sammler ist immer konzentriert und steckt seinen Kopf in Kartons und Regale. Glücksfälle, ja, da gab es welche. Z. B. erwarb ich bei einem Altwarenhändler einen aus einer Kirchenbibliothek stammenden RK. Es war „Die neue Erde“, in einem neuwertigen Zustand. Wahrscheinlich war der Roman, wegen seines „heiligen“ Titels, in der Pfarrbibliothek gelandet. Die Erfüllung aber war der Preis: 10 Schilling! Heute wäre das ein Euro!

14) Wie lang brauchten Sie, um Ihre Sammlung annähernd so zu haben, wie sie jetzt ist?
Das „richtige“ Sammeln begann bei mir erst nach der Familiengründung mit etwa 25 Jahren, um 1960. Es war die Zeit der Leihbüchereien. Da wurden oft, wegen Wechsel der Auswahl, Bücher relativ billig abverkauft. Z. B. Sun Koh von P. A. Müller. Dies wurde der Grundstock. Es blieb aber nicht dabei. Mit wechselnden Interessen wechselten auch meine Themen. Waren die Leihbücher noch Wildwest-, Abenteuer- und utopische Schmöker, so sammelte ich später auch Kriminalliteratur, dann Kolonialliteratur, Reiseliteratur und, bis heute, „Jugend“ und „Abenteuer“. Meine jetzige Sammlung brauchte etwa 30 Jahre, um auf den heutigen Stand zu wachsen. Am Beginn kaufte ich alles und in jedem Zustand. Mit dem Anwachsen der Sammlung und aus Platzmangel begann ich zu „verbessern“, das heißt, ich kaufte immer besser erhaltene Exemplare, um meine Sammlung zu verschönern.

15) Welche Figuren der Sammlerszene haben Sie beeinflusst?
Anfänglich war ich ein „Einsiedler.“ Schnell machte ich schlechte Erfahrungen mit anderen Sammlern. Es dauerte lange, bis ich wieder Kontakte knüpfte.
In Wien gab es zur Zeit meiner intensiven Schmökertouren zwei „große“ Sammler.
Natürlich ergab es sich so, dass wir uns des Öfteren über den Weg liefen, auf Flohmärkten, bei Altwarenhändlern oder im Dorotheum.
Wir tauschten auch Bücher. Herrn S. gab ich sogar welche aus meinen Regalen, meiner Sammlung. Ich ließ ihn mein Adressenverzeichnis der mir bekannten Altwarenhändler lesen. Was ich nicht wusste: Herr S. hatte ein photographisches Gedächtnis, er merkte sich die ihm nicht bekannten Adressen. Zu meiner Verwunderung fand ich dann viel weniger Material bei den Händlern.
Das war die erste Strafe für meine Naivität. Weitere folgten.
Als glühender RK Sammler war ich immer hinter schönen Ausgaben her. So traf ich auf Herrn S., als ihm gerade ein Flohmarkthändler mehrere schöne RK Bücher anbot. Herr S. kaufte diese, und als ich ihn fragte, ob er sie mir nicht verkaufen oder vertauschen könne, stotterte er herum, von wegen unkomplette Serie und, und, und … Er selbst sammelte RK gar nicht, aber er verkaufte sie an einen bekannten deutschen Sammler.
Ich hätte wohl auch einen höheren Preis akzeptiert, aber mir bot er sie nicht an!
Als ich einmal einen von ihm händeringend gesuchten Roman fand, teilte ich ihm dies nicht mehr mit. Ich fragte ihn, ob ich noch bei ihm in einer Tauschschuld stünde, und als er dies verneinte, stellte ich das Buch selbst in eines meiner Regale.
Ein gemeinsamer Bekannter inspizierte kurz darauf meine Sammlung und blieb – wo wohl – direkt bei diesem Buch stehen. Auf seine Frage, ob ich es abgeben würde, antwortete ich ihm mit NEIN, und dass ich sehr gut wüsste, dass er das Buch für Herrn S. als Tauschmaterial haben wolle. Dann erzählte ich ihm die Geschichte von den RK Büchern.
Als ich Herrn S. auf dem Flohmarkt wieder begegnete, drehte er sich abrupt zur Seite und mied mich in Zukunft. Das Buch steht noch immer in einem meiner Regale, Herr S. konnte es bis zu seinem frühen Tod nicht mehr bekommen, wie ich aus seinen immer aktualisierten Suchlisten später über vier Ecken erfuhr.
Dieser Vorfall trug viel dazu bei, aus mir einen „Einzelkämpfer“ zu machen.
Der zweite „Sammlerfreund“, mit dem ich mehrfach tauschte, überbot mich, neben mir stehend, trotz Absprache, im Dorotheum.
Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr, sagt man …

16) Sind Sie noch Menschen begegnet, die mit Kraft direkt/indirekt zu tun hatten?
Meine Sammlerkontakte wuchsen mit den Jahren natürlich an, allerdings erfolgte der größte „Wachstumsschub“ durch die RK Symposien.

17) Gibt es Sekundärliteratur, die Ihr Interesse beflügelt hat?
Früher interessierte mich Sekundärliteratur überhaupt nicht, heute besitze ich drei entsprechende Bücher: Die RK Biographie von Henle/Richter, die Bibliographie von Thomas Braatz und den Avanturier-Band von Arnulf Meifert.

18) Wie kam es zur Gründung der Edition Braatz & Mayrhofer?
Der Kontakt zu Thomas Braatz war ein echter Glücksfall. Wir hatten, ohne voneinander zu wissen, ähnliche Aktivitäten gesetzt. Von meinen kann man in der RK Bibliographie lesen. Ein Wort gab das andere und wir entschlossen uns, unsere Aktivitäten zu koordinieren und verschollene oder schwer aufzutreibende Texte von RK als qualitativ hochwertige Bücher zu produzieren. Dabei fiel mir das Abschreiben der Texte zu. Als Pensionist hatte ich dazu ja die nötige Zeit, und für RK war ich bereit, diese dem Projekt zu opfern.
Die „Symbiose“ mit Thomas Braatz verlief problemlos, nachdem ich mich in der Einbandgestaltung „durchgesetzt“ hatte. Schließlich wollten wir beide eine repräsentative RK Ausgabe, angelehnt an die Ganzleinen-Ausgaben um 1900. Meine „kaufmännische“ Einmischung bestand darin, Thomas Braatz dahingehend zu beeinflussen, die Finger von den „großen“ Romanen zu lassen, dafür unser Augenmerk auf die in Zeitschriften oder Heften abgedruckten Texte zu beschränken. Der Erfolg dieses Konzeptes gibt mir Recht, wenn man bedenkt, dass die RK Edition bereits vierzehn Bände umfasst.

19) Was sagen Sie zur „Konkurrenz“ May-Kraft? Die Sammlerkreise überschneiden sich ja …
Das ist leider ein Reizthema zwischen zwei „Fraktionen“. Seit dem „Vernichtungsfeldzug“ Klaras, mit Erpressungen und Diffamierungen, hat sich leider nicht allzu viel in der Gesinnung der eingefleischten May-Fans geändert. Es gibt zwar Ansätze einer „Verbrüderung“, einige KM Fans arbeiten sogar mit uns zusammen, indem sie ihr Wissen und ihre Schätze beitragen. Man muss doch kein Fanatiker sein! Warum können wir Sammler nicht BEIDE Schriftsteller schätzen, beide haben ihre Eigenarten. Allerdings sind mir KM’s Kolportageromane näher als sein späteres und sein „Alterswerk“. Immerhin brachte der KMV die Kolpos, wenigstens in „Klara-gerechter“ (gereinigter und gekürzter) Form, doch auch heraus - „pecunia non olet“ …
20) Welche Namen waren für die Kraft-Rezeption insgesamt wichtig (z. B. Walter Henle, andere Namen)?
Ich war als „Einzelkämpfer“ nicht mit derlei Fragen konfrontiert. Da ich sehr spät auf RK gestoßen bin und fast keine Kontakte zu anderen Sammlern hatte, baute sich mein Wissen erst spät auf.
Von Fan-Zeitschriften wie dem Magazin für Abenteuerliteratur (Graff Anzeiger) hatte ich keine Ahnung, davon erfuhr ich erst später. In den Katalogen von Antiquariaten tauchte so etwas wie Kraft kaum auf. Bei Altwarenhändlern schon gar nicht.
Auch war ich an Sekundärliteratur erst einmal nicht interessiert.
Über Sammlerkontakte erfuhr ich von Henles RK Bibliographie und konnte dann einige kopierte Seiten bekommen. Dadurch, dass darin die „großen“ RK Romane angeführt wurden, konnte ich etwas gezielter danach suchen. So erfuhr ich auch von den vielen in Zeitschriften erschienenen RK Texten. Ich erstellte mir eine Suchliste mit allen bekannten RK Publikationen, welche ich dann „abarbeitete“. Dies war in Bezug auf die in Zeitschriften erschienenen Texte notwendig, denn bei der Vielzahl an derartigen Veröffentlichungen konnte ich mir das alles einfach nicht mehr merken.
So aber gelang es mir, einige dieser Zeitschriften aufzutreiben und ich kopierte die Texte, schnitt sie aus, fügte sie zu Seiten zusammen, und fertigte so per Kopieren dieser Vorlagen einige „Novellen“-Bände.

(Die Fragen von Arnulf Meifert wurden schriftlich gestellt und beantwortet.)